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Filme von und über die NVA in der derzeitigen Republik

NVA
Eine Komödie nach einem Drehbuch von Thomas Brussig und Leander Haußmann, in der Regie von Leander Haußmann

Drehzeit: 14.07.2004 bis 02.09.2004 in der Heidekaserne in Bad Düben (Sachsen)

 Starttermin war 29.09.2005


"Abschied von Sex und schönen Mädchen.
Abschied von Schnaps und LSD.
Abschied von allem, was wir lieben.
Abschied, wir müssen zur Armee".

Irgendwann in den 80ern. Zwei Systeme stehen sich feindlich gegenüber. Kapitalismus gegen Sozialismus. Ost gegen West. Nato gegen Warschauer Pakt. Die Geschichte spielt in der DDR. Ein eigenständiger, von fast allen Ländern der Welt anerkannter Staat. Findet sich mächtig und gibt sich selbstbewusst. Und dieser Staat hat eine Armee. Jeder junge Mann ist mit Vollendung seines 18. Lebensjahres verpflichtet ihr anderthalb Jahre zu dienen. Verpflichtet! Das Wort Wehrdienstverweigerung ist strafbar. Es gibt nur 2 Gründe um nicht eingezogen zu werden: Man ist Vollinvalide oder eine Frau. Nichts ist so sehr Legende, so sehr Mythos und so sehr Wirklichkeit wie die
NATIONALE VOLKSARMEE.

Eine Co-Produktion mit SevenPictures für SAT.1 Gefördert von Medienboard Berlin-Brandenburg, Filmförderungsanstalt, Mitteldeutsche Medienförderung, Filmförderung Hamburg, FilmFernsehFonds Bayern

NVA - Ein Bericht von den Dreharbeiten zum neuen Film von Leander Haußmann
Herr Haußmann lässt die Stiefel knirschen


In der ehemaligen Kaserne der ostdeutschen Kleinstadt Bad Düben dreht Regisseur Leander Haußmann nach "Sonnenallee" wieder einen Kinofilm über ein Stück DDR-Geschichte.


Die Sonne brennt gnadenlos auf die Glatze von Kamerad Krüger. Keuchend bleibt er stehen und reißt sich die Gasmaske vom Gesicht. Doch die Nationale Volksarmee hat kein Mitleid mit rebellischen Jungsoldaten: "Gas Krüger, Gas!", brüllt Unteroffizier Aurich. Der Soldat muss weiterlaufen und dabei einen schweren Lkw-Reifen per Seil hinter sich her ziehen. Seine Glatze ist zu einem roten Ballon angeschwollen. "Schnitt" kommt es da aus der Ecke.

Kamerad Krüger setzt seine Maske ab - der Schauspieler Oliver Bröcker zündet sich eine Zigarette an und ist heilfroh, dass dies alles nur ein Film ist: "NVA", der zur Zeit in Sachsen gedreht wird. Es ist bereits der dritte Film des ostdeutschen Kultregisseurs Leander Haußmann über ein Stück DDR-Geschichte. Nach der Ostberliner "Sonnenallee" (1999) und dem Wendealltag des "Herrn Lehmann" (2003) geht es in "NVA" um Wehrdiensterfahrungen junger Männer in der Nationalen Volksarmee. Schauplatz des Films ist die ehemalige Heidekaserne der sächsischen Kleinstadt Bad Düben. Die Dreharbeiten gehen noch bis Anfang September, nächsten Sommer kommt der Film dann in die deutschen Kinos.

"Ich habe 30 Jahre lang in der DDR gelebt und den Wehrdienst in der NVA absolviert - da ist es doch meine Pflicht als Künstler, mich immer wieder aufs Neue in die Diskussion um unsere deutsch-deutsche Geschichte einzumischen", meint der Regisseur. Einen Dokumentarfilm über die Nationale Volksarmee will Haußmann aber nicht drehen.

Vielmehr geht es ihm um den Kampf des Individuums gegen das uniforme System. "Und die originalen Uniformen am Set sind wirklich die hässlichsten Kostüme seit es den NVA-Lehrfilm gibt", sagt Haußmann mit einem Augenzwinkern.

Hauptdarsteller des Films ist der ehemalige Sänger der Popgruppe "Echt", Kim Frank. "Am schlimmsten ist das Knirschen der Stiefel", meint der 22-Jährige Schauspieldebütant. Dies erinnere ihn immer an Autorität und Identitätsverlust. Eigene Erfahrungen mit dem Militär hat Frank nicht gemacht. "Bisher bin ich zum Glück um den Wehrdienst herumgekommen." Von der NVA habe er vor dem Film nicht viel gewusst, da er aus dem Westen, aus Flensburg, komme. "Aber die Atmosphäre hier ist schon ziemlich beklemmend", erzählt Frank. Auch die Trennung von seinen langen Haaren fiel ihm schwer. "Aber ich spiele nunmal den Alltag eines Jungsoldaten in der NVA, da gehört das Haarelassen eben mit dazu." Obwohl der Streifen in den achtziger Jahren der DDR spiele, beschäftige er sich auch mit modernen beziehungsweise zeitlosen Themen wie Freundschaft, Autorität und innerer Rebellion, unterstreicht Frank.

Gut gewärmte Komparsen

Glücklich sehen die mehr als 400 Komparsen in ihren dunkelgrünen Uniformen nicht aus. In der vergangenen Woche mussten sie bei mehr als 30 Grad in Winteruniformen marschieren. Die eigens für den Film umgebaute Heidekaserne ist ein Ausflug in die Vergangenheit.

Überall stehen Schilder mit Losungen wie "Stets wachsam und gefechtsbereit - dem Feinde keine Chance". Vor der Sporthalle stählen junge Soldaten in kurzen roten Hosen und gelben Rippenunterhemden ihre Körper. Schautafeln zeigen den Soldaten, wie sie Handgranaten werfen müssen, und in der Truppenunterkunft steht der russische "Lunikoff Wodka" unter dem Porträt des DDR-Staatsoberhauptes Willi Stoph.

Regisseur Haußmann spricht von der "befohlenen Liebe der NVA zum Vaterland". Eine Armee, die sich immer auf Kampf vorbereitet habe, ohne jemals wirklich zu kämpfen. Insofern ist der Film laut Haußmann ein humorvolles Stück seiner eigenen Geschichte. "So können wir alle nochmal sehen, wat wir da eigentlicht mitgemacht ham."


Ferienlager Volksarmee

Es grüßt die Militärklamotte: Leander Haußmanns neuer Film "NVA" feiert die Komik des Kasernenhofs und die reine, jugendliche Männerseele. Was der Wehrdienst für junge Männer in der DDR bedeutete, interessiert den Regisseur wenig

von JOCHEN SCHMIDT

Der Armeedienst eignet sich ideal für einen Film, nicht umsonst stirbt das Genre nicht aus. Eine Kaserne ist ein Zauberberg, auf dem Typen verschiedenster Sozialisation und intellektueller Herkunft aufeinander treffen und ihren Bildungsroman erleben. Die unfreiwillige Einheit des Orts, der vorgegebene zeitliche Rahmen zwischen Einberufung und Entlassung, eine Atmosphäre der Eintönigkeit, in der auch der plumpeste Geist Fantasie entwickelt, und sei es nur der hundertmal im Kopf abgespulte Film vom Tag der Entlassung, wenn man das Tor für immer hinter sich zufallen hört.

Die NVA war eine zentrale Institution der DDR, kaum ein Mann kam an ihr vorbei. Im Mikrokosmos dieses Landes gab es diesen anderen Mikrokosmos mit einem Dschungel an offiziellen und inoffiziellen Traditionen, Vorschriften, Ritualen und Sprachschöpfungen. Es wurde Zeit, dass sich endlich ein Film dieses Materials annahm, immerhin war die NVA ein Spiegelbild der DDR, die unmotivierteste Armee der Weltgeschichte. Irrt man sich oder war in diesem scheinbar so durchmilitarisierten Land eine positive Einstellung zum Militär nicht möglich? Der durchtrainierte, soldatisch kompetente Fighter amerikanischer Kriegsfilme, er wäre schon an der Uniform, vor allem den Stiefeln, und an der unbrauchbaren Feldausrüstung gescheitert. Zudem stand der Sadismus der Offiziere und Mitsoldaten im krassen Widerspruch zur antifaschistischen Doktrin dieser Armee. Was den Hartnäckigen vom Glauben an den Sozialismus noch geblieben sein mochte, wurde ihnen im Kasernenalltag von den Soldaten älterer Diensthalbjahre, unter Duldung der Offiziere, ausgeprügelt. Die NVA war, nicht anders als die DDR, eine urpreußische Einrichtung.

Diesem soziologisch kaum erschlossenen Feld widmet sich Leander Haußmann in seinem neuen Film. Es ist eine Komödie geworden. Warum nicht? Jeder, der dabei war, weiß, dass es viel zu lachen gab. Was sollte man auch sonst tun, um sich die Zeit zu vertreiben? Außerdem war die Absurdität der Vorschriften und Sprachregelungen kaum zu überbieten, die Armee ist nun mal ein Slapstick-Paradies. Dennoch, wie traurig sähe es um die (west)deutsche Filmgeschichte aus, wenn es zum 2. Welkrieg nur Militärklamotten wie "08/15" gäbe mit ihrer widerlichen Lausbubenmentalität - und nicht Bernhard Wickis "Die Brücke"?

In der NVA wurden junge Männer systematisch physisch und psychisch misshandelt. Das war keine Randerscheinung, sondern fester Bestandteil der Erziehung und Gewährleistung der "inneren Ordnung". Aber nicht weniger beunruhigend ist die Dunkelziffer von jungen Männern, die hier vom aus preußischer Zeit ererbten Selbsterziehungssystem sanktioniert, auch E-Bewegung genannt, nach zivilen Maßstäben zu Gewaltverbrechern wurden. So gut wie jeder Mann hat diese Schule vom sadistisch erniedrigten Glatten (Soldat des 1. Diensthalbjahres) zum Quasi-Gott "E" (Entlassungskandidat) durchlaufen.

Haußmann geht es aber um etwas anderes. Wie bei seinen bisherigen Filmen will er den Typus der reinen, jugendlichen Männerseele feiern. Diesmal hat er als Casting-Coup dafür Kim Frank (Ex-"Echt") gewonnen, dessen Rolle als Henrik ihm allerdings nicht viel mehr abverlangt, als sein verträumtes Milchgesicht zu zeigen. Offenbar inszeniert Haußmann am liebsten auf die besondere Szene hin, die dann mit dem besonderen Stück Musik unterlegt wird, Kino als Traum. Ein illegales Date auf dem Wachtturm, im Licht der Abendsonne, wenn das keine ultimative Freiheitsfantasie ist!

Bei "Sonnenallee" hat Haußmann mit dieser Form von Magie bewiesen, dass es einen Weg gibt, die DDR anders als mit Mitteln des Historienfilms zu erzählen, indem er sie ins Theaterhafte überzeichnete, was dem Gegenstand, der selbst surreal genug war, wunderbar gerecht wurde. Der Film hatte Pionierfunktion: So waren wir, und so vermissen wir uns. Weshalb man sich später fragte, warum Herr Lehmann, wenn seine Welt so langweilig war, wie beschrieben, nicht einfach zu uns rüberkam. Flaschenbier hatten wir doch auch.

"NVA" geht leider nicht weit genug. Die Details stimmen natürlich, das klappernde Kaffeegedeck, die Bastelarbeiten, der neurotische Spieß, die H-Milch-Tüten, die Fliegenvorhänge, die Sprache: "Da will einer Individuum sein" - "Sie sind ein Rostfleck am Schwert des Sozialismus." Die vom Fenster hämisch mit ihren Maßbändern winkenden E, die Uniformausgabe in der Effektenkammer, das Haareschneiden, das Paket, in dem die Zivilsachen nach Hause geschickt wurden. Das allgemeine Briefeschreiben in der ersten Zeit. Wenn junge Männer, die seit der Schule nie mehr schriftlich einen Satz formuliert haben, plötzlich gezwungen sind, ihre Sehnsucht in Worte zu fassen. So etwas hat eine rührende Komik. Allerdings wirkt es bei der Fülle der Episoden schnell so, als sei der Armeedienst spannend und abwechslungsreich gewesen, wie ein Ferienlageraufenthalt, dabei war er genau das Gegenteil. Wie schwer drückt die Aussicht auf über 500 Tage, wenn man den ersten, der nie enden wollte, endlich hinter sich hat? Wie übersetzt man Angst, Demütigung und Verlassenheit in Bilder?

Einen Gegenpol zur reinen Komik soll die Geschichte von Krüger (Oliver Bröcker) bilden, der Henrik unter die Fittiche nimmt und als notorischer Aufrührer irgendwann in die Strafeinheit Schwedt versetzt wird, das schwarze Loch der DDR. Jeder kannte die Drohung, dort zu landen, aber was dort geschah, wusste niemand genau. Der Rocker Krüger kommt als geistig umgepolter Mustersoldat mit mit versteinerter Miene zurück. Allerdings sind die Offiziere irgendwie die vielschichtigeren Figuren, schließlich bricht für sie (der Film spielt zur Wendezeit) eine Welt zusammen. Detlev Buck zeigt als Oberst Kalt, was jahrelanges Leben nach der Dienstordnung schon rein physiognomisch aus einem Menschen macht.

Kurz nach der Pubertät kam für die meisten der Wehrdienst, eine einschneidende Erfahrung, die auch ein Teil der DDR-Identität der Ostdeutschen ist. Gut, dass sich dem endlich ein Spielfilm widmet. "NVA" sollte ein Anfang sein. Keinen, der dabei war, wird der Film allerdings restlos zufrieden stellen können. Schließlich hat jeder seinen eigenen Film im Kopf, und wer es erträgt, sich den ungeschnitten anzusehen, der hat Glück gehabt, oder er war ein Schwein.

 

"NVA". Regie: Leander Haußmann. Mit Kim Frank, Oliver Bröcker, Detlev Buck u. a. Deutschland 2005, 98 Min.

taz vom 29.9.2005, S. 15, 220 Z. (Kommentar), JOCHEN SCHMIDT

 

Traditionsvereinigung
der
Nationalen Volksarmee
der DDR